DIE LOGIK DER IMPLIKATION

DIE LOGIK DER IMPLIKATION AB

HANNAH: Wenn Byron Chater im Duell getötet hat, bin ich die Königin von Saba.

Das „WENN“ in der Alltagssprache

Die meisten Leute benutzen in der Sprechsprache die Folgerelation „Aus A folgt B“ oder „Wenn A, dann B“ völlig intuitiv und können sich damit auch gut verständigen mit solch Aussagen wie:

  1. Wenn es regnet, wird die Straße nass.

  2. Wenn du nicht sofort verschwindest, knall ich dir eine!

  3. Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich’s Wetter oder bleibt wie es ist.

  4. Wenn die Oberkrainerin den Krautwilli heiratet, fress’ ich ‘nen Besen!

Obwohl man alle vier Typen von „wenn“ in den Fällen (1) bis (4) schon einmal ganz ähnlich irgendwo gehört hat, hört man doch auch sofort, dass es sich hierbei um ganz verschiedene Verwendungen des Wortes „wenn“ handelt. Im Fall (1) geht es um eine Aussage bzw. eine Feststellung, im Fall (2) um eine Warnung, im Fall (3) um eine recht sinnleere Bauernregel, die – wie wir noch sehen werden, schon der logischen Form nach immer wahr sein muss, also eine so genannte „Tautologie“, und schließlich im Fall (4) um eine Art idiomatische Wendung zur Unterstreichung starker Skepsis. Auch die Misstrauensäußerung von Hannah (das Zitat ganz oben) ist von dieser Natur.

Eine kleine Einführung in die Aussagenlogik

Schauen wir uns zunächst den Fall (1) an. Zunächst liegt vielleicht auf der Hand, dass es sich bei diesem Satz um eine Verbindung zweier Aussagen handelt, nämlich um die Aussagen:

A: Es regnet. B: Die Straße wird nass.

Bevor wir uns die Verbindung zweier Aussagen anschauen, sollte man vielleicht darauf hinweisen, dass A und B so genannte „Elementaraussagen“ oder „atomare“ Aussagen sind, was nur bedeutet, dass sie nicht weiter zerlegt werden. Um zu untersuchen, ob eine Aussage wahr oder falsch ist, stellt man so genannte Wahrheitstafeln auf, mit „w“ oder „1“ als Wert für „wahr“ und „f“ oder „0“ als Wert für „falsch“.

Das ist für eine atomare Aussage wie A recht primitiv, denn die Aussage A bekommt den Wert 1 wenn es regnet, und den Wert 0 wenn es nicht regnet.

Aber man kann schon eine erste wesentliche Wahrheitstafel für die verneinte Aussage ¬A (sprich „Nicht-A“) anschauen:

¬A: Es regnet nicht.

Wahrheitstafel für „¬“

A¬A
0 1
1 0

Soll heißen: Ist die Aussage A falsch, ist ¬A wahr. Ist dagegen A wahr, ist ¬A falsch. Klingt vielleicht etwas verwirrend, ist aber letztlich genau das, was man von der Verneinung oder auch der Negation „¬“ erwartet: die Wahrheitswerte werden umgekehrt.

Ja, aber jetzt hatten wir noch die Aussage B. Natürlich kann man dasselbe mit B auch machen und ¬B bilden:

¬B: Die Straße wird nicht nass.

Nur bringt dies keine neuen Erkenntnisse. Es sollen nun vielmehr beide Aussagen A und B verbunden werden, aber zunächst mit dem Bindewort „und“, dessen Wahrheitstafel zunächst leichter zu fassen ist als das „Wenn“.

 AB: Es regnet, und die Straße wird nass.

Wahrheitstafel für „∧“

ABAB
0 0 0
0 1 0
1 0 0
1 1 1

Was hat diese Tabelle von Nullen und Einsen zu bedeuten? Nun, wenn wir die Spalte für AB anschauen, so sehen wir, dass sie in drei von vier Fällen falsch ist, nur im letzten Fall wahr, nämlich genau dann, wenn sowohl A als auch B wahr sind. Klar: Wenn wir sagen „Es regnet, und die Strasse wird nass“, so können wir doch erwarten, dass die Teilaussagen A: „Es regnet.“ Und B: „Die Strasse wird nass.“ tatsächlich beide zutreffen, sonst stimmt unser „und“ ja überhaupt nicht! Schauen wir uns die Tafel für das mathematische „oder“ an:

 AB: Es regnet, oder die Strasse wird nass.

Wahrheitstafel für „∨“

ABAB
0 0 0
0 1 1
1 0 1
1 1 1

Diese verbundene Aussage ist im Gegensatz zur vorhergehenden in drei von vier Fällen wahr: Sie ist wahr, wenn mindestens eine der Teilaussagen wahr ist.

Anders gesagt, sie stimmt nur dann nicht, wenn beide Teilaussagen falsch sind. Damit ist das mathematische „oder“ kein „entweder… …oder“, denn beim „entweder… …oder“ dürften nicht beide Teilaussagen zugleich wahr sein.

Das „WENN“ in der Aussagenlogik

Zunächst sieht es ja so aus, als würde die Aussage AB in (1) auch nicht weiter Probleme bereiten:

 AB: Wenn es regnet, wird die Strasse nass.

Der Satz ist jedenfalls wahr, wenn sowohl A als auch B wahr sind. Wenn aber A wahr und B falsch ist, ist der Satz falsch, das merkt jeder Sprecher intuitiv. Denn im Sprachgebrauch stimmt B ja „erst recht“, wenn schon A zutraf. Also sieht unsere Wahrheitstafel bisher so aus:

Wahrheitstafel für „⇒“

ABAB
1 0 0
1 1 1

Aber halt! Sollten es nicht wie in den vorigen Beispielen vier Zeilen sein? Sollten wir nicht auch wissen, ob der Satz wahr ist, wenn die Teilaussage A falsch war? Können wir denn über den Satz „Wenn es regnet, wird die Strasse nass.“ überhaupt eine zutreffende Aussage machen, wenn es nicht regnet? Man kann ja durchaus zunächst der Meinung sein, dass eine Wenn-Aussage nur dann Sinn ergibt, wenn der Vordersatz, die so genannte „Prämisse“, wahr ist, und in der Alltagssprache wird das „wenn“ auch meist so benutzt, dass man über einen Fall spricht, in dem die Prämisse zutrifft.

Es gibt zwei Anhaltspunkte, die uns zu einer korrekten Vervollständigung der Wahrheitstafel führen:

Zunächst einmal werden wir uns an dem Satz „Wenn es regnet, wird die Straße nass.“ nur in einem Fall stören, nämlich dann, wenn es regnet, die Straße aber nicht nass wird (was ja durchaus sein kann, z.B. wenn die Straße in einem Tunnel oder unterirdisch verläuft). Wenn es nicht regnet, können wir AB zumindest nicht gleich verneinen, und das würde auf ein „wahr“ für AB hindeuten, wenn A falsch ist.

Als zweites Argument sollten wir uns die Aussage bzw. den Ausruf in (4) nochmals ansehen:

  1. Wenn die Oberkrainerin den Krautwilli heiratet, fress’ ich ‘nen Besen!

Dieser Satz verbindet offenkundig die beiden atomaren Aussagen

A: Die Oberkrainerin heiratet den Krautwilli. B: Ich fresse einen Besen.

und ist für unser kommunikativ gebildetes Ohr ja nichts anderes als eine rhetorische Unterstreichung der besonders stark betonten Aussage:

¬A: Die Oberkrainerin heiratet den Krautwilli nicht.

Aber wie wird diese Information „¬A“ transportiert? Nun, wir müssen ja davon ausgehen, dass der Satz (4) in hohem Maße wahr ist, wenn er so bekräftigend ausgesprochen wird, also gilt schon mal AB = 1. Andererseits scheint die Teilaussage

 B: Ich fresse einen Besen.

in hohem Maße unwahrscheinlich, so dass wir hier getrost B = 0 bzw. ¬B = 1 annehmen können: Der Besen wird vermutlich nicht gefressen werden!

Und da der Sprecher offenkundig von ¬A, also A = 0 ausgeht, hätte man:

Wahrheitstafel für „⇒“

A B AB
0 0 1
0 1 ?
1 0 0
1 1 1

Bleibt also nur noch der letzte Fall zu klären, nämlich was los ist, wenn A falsch, aber B wahr ist. Ist auch dann AB wahr? Die Antwort darauf erhalten wir – etwas indirekt – durch die Bauernregel in (3):

  1. Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich’s Wetter oder bleibt wie es ist.

Wie bereits vorher erwähnt, handelt es sich hierbei um eine so genannte „Tautologie“, d.h. um einen „wahren Satz“, der schon der logischen Form nach wahr ist, was daher rührt, dass der Nachsatz, die Conclusio, „ändert sich’s Wetter oder bleibt wie es ist.“ bereits in sich eine wahre Aussage darstellt, weil die Aussage C ∨ (¬C) mit

C: Das Wetter ändert sich. ¬C: Das Wetter bleibt wie es ist.

stets wahr ist, wie man an der folgenden Wahrheitstafel erkennt:

Wahrheitstafel für C ∨ (¬C)

C ¬C C ∨ (¬C)
0 1 1
1 0 1

d.h. die Aussage C ∨ (¬C) ist immer wahr.

Ja, aber wenn wir erneut voraussetzen, dass AB im Fall (3) wahr sein soll, dann wäre hier der Nachsatz B bzw. hier C ∨ (¬C) wahr, egal was der Vordersatz war! Insbesondere heißt dies, dass B und damit auch AB auch dann wahr ist, wenn A ein falscher Vordersatz war. Damit hätten wir auch einen wahren Satz bilden können vom Typus:

  1. Wenn du tot und lebendig bist ändert sich’s Wetter oder bleibt wie es ist.

Das heißt, wir erhielten auch dann einen wahren Satz, wenn die Prämisse falsch wäre, und wir können unsere Wahrheitstafel für AB vervollständigen:

Wahrheitstafel für „⇒“

A B AB
0 0 1
0 1 1
1 0 0
1 1 1

Folgerungen

Was bedeutet diese Wahrheitstafel für den Umgang mit der Implikation, d.h. mit dem Satz AB?

Nun, einerseits muss man aufpassen, dass man die Implikation nicht mit ihrer Umkehrung verwechselt, also AB von BA unterscheidet:

 AB: Wenn es regnet, wird die Straße nass.

ist eine andere Aussage als

 BA: Wenn die Strasse nass wird, regnet es.

Denn BA muss ja gar nicht stimmen, wenn AB stimmt, es könnte ja auch jemand z.B. sein Auto gewaschen und die Straße „künstlich“ nass gemacht haben.

Damit ist AB nicht gleichbedeutend mit BA, sondern mit (¬B) ⇒ (¬A):

B) ⇒ (¬A): Wenn die Strasse nicht nass wird, regnet es nicht.

Dieser Satz hat dieselben Wahrheitswerte wie AB, wie man leicht sieht:

Wahrheitstafel für „⇒“

ABAB¬B¬AB) ⇒ (¬A)
0 0 1 1 1 1
0 1 1 0 1 1
1 0 0 1 0 0
1 1 1 0 0 1

Die andere, evtl. neue Erkenntnis ist, dass wenn A falsch ist, die Aussage AB immer trotzdem wahr bleibt – eine Tatsache, die man in der Wendung „ex falso quodlibet“ zum Ausdruck bringt: Aus etwas Falschem folgt Beliebiges.

Diese erst nicht besonders spannend klingende Tatsache ist in der Tat ein wichtiger Stützpfeiler jeder Theorie: Das Schlimme an einem „falschen“ Satz innerhalb einer Theorie ist nicht der „verlogene“ Satz an sich, sondern die Tatsache, dass man mit Hilfe des falschen Satzes einen Widerspruch ins System bekommt, der einem ermöglicht, Beliebiges zu schließen, und jeden Satz wahr macht. Vielleicht wird dies deutlich, wenn man sich vor Augen führt, dass ein simpler Fehler wie eine Division durch Null bereits alle natürlichen Zahlen einander gleich machen würde und beliebige falsche Sätze ableitbar macht:

Achtung: Hier wird falsch gerechnet! Nehmen wir an, jemand denkt es sei…

1 : 0 = 1 (Unsinn!) Und wenn man beide Seiten mal Null nimmt…
1 = 1 × 0 …und ausmultipliziert…
1 = 0 So, und wenn wir jetzt z.B. „2 + 2 = 5“ haben wollen... umdrehen...
0 = 1 …auf beiden Seiten zwei addieren:
2 = 3 …und wieder auf beiden Seiten zwei addieren:
2 + 2 = 5 Fertig.

Man kann also mit einem Widerspruch, einem Fehler, in einer Theorie jeden beliebigen Satz beweisen. (Was wir natürlich mit diesem einen Beispiel nicht vollständig gezeigt, sondern nur angedeutet haben!) Dabei ist doch gerade das Spannende an einer Theorie, dass manche Sätze wahr sind und andere nicht!

Das Wichtigste in Kürze

Was haben wir gelernt?

  1. Umgangssprachliche Aussagen mit nicht, und, oder und wenn können mit Hilfe der Aussagenlogik formalisiert aufgeschrieben werden.

  2. Das „Wenn – Dann“ der Umgangssprache wird aufgefasst als eine zweistellige Folgerelation AB, die nur dann falsch ist, wenn die Prämisse wahr und die Conclusio falsch ist. Mit anderen Worten, die Folgerelation ist immer dann wahr, wenn die Conclusio wahr ist oder die Prämisse falsch ist (Letzteres wird oft als „ex falso quodlibet“ bezeichnet).

  3. Die Relation AB ist nicht dasselbe wie BA, sondern logisch gleichbedeutend mit (¬B) ⇒ (¬A). (Übrigens auch mit (¬A) ∨ B und ¬(A ∧ (¬B)), wie man mit Wahrheitstafeln sieht…) Diese logisch äquivalenten Umformungen bewirken, dass man statt der Warnung

(2) AB: Wenn du nicht sofort verschwindest, knall ich dir eine!

genauso gut bzw. inhaltsgleich auch hätte sagen können:

(2∗) (¬A) ∨ B: Du verschwindest sofort oder ich knall dir eine!

(2∗∗) (¬B) ⇒ (¬A): Wenn ich dir keine knallen soll musst du sofort verschwinden!

(2∗∗∗) ¬(A ∧ (¬B)): Du kannst nicht dableiben, ohne dass ich dir eine knalle!

  1. Weil aus Falschem Beliebiges folgt, sind Widersprüche in einem System „folgenschwer“ im wörtlichen Sinne: Ab sofort machte es dann keinen Sinn mehr, wahr und falsch zu unterscheiden, weil alles wahr wird.

Und die Moral von der Geschicht?

Byron tötete Chater nicht!

(Meint zumindest Hannah, die natürlich nicht die Königin von Saba ist!) - ob sie damit aber wirklich auch Recht behält, erfährt man, wenn man “in Arkadien ist”, sprich, unser Stück anschaut…